Praxislizenzarbeit
Frauke Dietz
I. Therapieverlauf "Lebendigkeit"
5. Session: Panik im Mutterleib
Kl: Ich bin wieder
die Treppe runter, die ich schon kenne, bin auch rechts wieder den Gang hinter
wie die letzten Male, und bin noch mal durch diese Venustür – also das
ist ja noch alles da. Es ist ja nur so, und das treffe ich auch wieder an, das
dieser Keller jetzt offen ist, und das da jetzt eine Wiese ist und das da, wo
der Sarg stand, so ein Hügel ist, auf dem halt auch Blumen blühen, wo ich also
gestern war auch zum Schluß. Es ist nur so, daß jetzt niemand da ist. Es ist
nur diese Wiese und dieser Hügel. Ich habe irgendwie das Gefühl, daß es ein
Grabhügel ist. Gestern hatte ich das Gefühl, aus dem Sarg ist jetzt ein schöner
Naturhügel geworden, mit Blümchen drauf. Und jetzt gucke ich mir ihn so an,
und er hat eigentlich die Form von einem Sarg, also ich hab das Gefühl, das
ist ein Grab. - Th. unterstützt zwischendurch immer wieder mal mit
"ja" oder "hm"-.
Th: Ja, wie geht es dir damit?
Kl: - Zögerlich - ja, hier unten erwartet man eh nix Gescheites,
aber...irgendwie kam auch so... ach nee...
Th: Sag das mal dem Grab da.
Kl: Also ich hab gedacht, du bist ein schöner Naturhügel, und jetzt
hab ich das Gefühl, du bist ein Grab. Aber ein zugewachsenes, altes Grab, was
nicht mehr gepflegt wird. Halt schon länger da ist und zugewachsen ist.
Th: Ja, wie fühlt sich das an?
Kl: Also ich hab das Gefühl, nicht schon wieder eine Leiche, also...ich
hab so genug von Leichen. Aber es fühlt sich so an, als wär da ein Sarg drin
und eine Leiche drin...Ich bin auch verwirrt darüber, daß die Personen, die
gestern hier waren, alle nicht da sind. Ich hab gedacht, sie alle hier anzutreffen.
Da war ja meine Mutter mit dem Baby, der Kurt und die erwachsene Birgit. Und
ich bin jetzt auch die erwachsene Birgit, aber es ist keiner zu sehen außer
diesem Grab.
Th: Du könntest dich mit den Abwesenden beschäftigen, sie mal her holen
und fragen, warum sie nicht da sind, du kannst dich aber auch dem Grab zuwenden...
(Die innere Weisheit wird angesprochen.)
Kl: Ich glaub, es geht um das Grab.
Th: Ja… dann geh doch mal näher ran, vielleicht kannst du was
entdecken, einen verwitterten Grabstein oder so...
(Das Erleben kann dadurch vertieft werden.)
Kl: Nee, das ist einfach, wie gesagt, es sah gestern aus wie
ein Hügel, und sieht jetzt immer noch so aus, es ist nur so ein Gefühl, daß
es ein Grab ist. Ein Hügelgrab, sonst sind die Särge ja in der Erde, aber dieses
ist zugedeckt worden, hab ich so das Gefühl, das der Sarg einfach zugedeckt
wurde. Nicht richtig verbuddelt, sondern einfach mit Erde zugedeckt wurde und
da wachsen jetzt die Blumen drauf.
Th: Ja, was möchtest
du denn machen?
Kl: Ich möchte den Hügel fragen, was in ihm drin ist, ob das
stimmt, das da ein Sarg ist.
Th: Ja, frag ihn, ja.
Kl: Also was hat das zu bedeuten, das du hier bist? ... Ja,
er ist ein Grab.... Und was ist unter deiner Erdschicht? ... Der Sarg, also
der mir bekannte Sarg.... Und wer liegt in dem Sarg?... Ja, ich soll es freischaufeln....
Da bräuchte ich aber erst mal eine Schippe.
Th: Dann schau dich mal um, vielleicht ist ja da eine in der
Umgebung...oder ein anderes Werkzeug?
Kl: Ja wie gesagt, da ist ja der Keller, und an der Mauer lehnt
eine Mistgabel – lacht -. Na gut, dann muß ich es halt mit der
Mistgabel probieren. – Pause –das tut mir zwar leid, die
Blumen zu zerstören, aber ich muß sie jetzt zerstören, um an das Grab zu kommen.
Th: Ja, sags doch mal den Blumen.
Kl: Es tut mir leid, daß ich euch zerstören muß, aber ich muß
an das Grab kommen. – Pause -. Die Erde geht ziemlich leicht
weg – verwundert - ich hab nicht das Gefühl, daß es ein sehr
altes Grab ist... – Schnauft – ja, jetzt hab ich die Erde
weggebuddelt, und jetzt hab ich den Sarg wieder vor mir, der da vor zwei Tagen
im Keller lag, und ich möchte ihn jetzt aufmachen...aber ich hab son blödes
Gefühl, was mich da drin erwartet.
Th: Hast du denn eine Phantasie, was dich da drin erwartet?
(Bisher war die Kl. eher zögerlich. Diese Intervention könnte
das Erleben verdichten, das herholen, worum es geht.)
Kl: - Pause - ich hab das Gefühl, es ist noch mal
die Mutter mit dem Baby, oder so was. Ich hatte vorhin auch die Phantasie, der
Kurt liegt da drin. Aber jetzt hab ich so die Phantasie, meine Mutter mit mir
als halbtotem...naja, sie war ja schon wieder halb lebendig...es ist ein bischen
unklar.
(Wie sich später herausstellt, ist das erste Gefühl richtig
- es geht um Mutter und Baby. Die Kl. macht jedoch noch einige Umwege bis dahin.)
Th: Naja, du wirst es nur sehen können, wenn du es aufmachst.
Meinst du denn, du traust dich, oder brauchst du Hilfe?
Kl: Nein, ich trau mich schon. Der geht nur total schwer auf,
ich muß da mit der Mistgabel nachhelfen, damit ich ihn aufkriege...Mir geht
es gerade so, daß ich das Gefühl habe, ich will ihn gar nicht so schnell aufkriegen,
weil ich nicht weiß, wer da drin liegt. So nach dem Motto, wen soll ich jetzt
reinlegen. Das fühlt sich so komisch an, als würde ich etwas konstruieren.
Th: Auch wenn du es konstruierst, kommt es aus dir.
Kl: Naja, ich mach da jedenfalls immer noch weiter. Es ist
ein Erwachsenensarg, zwischendurch hab ich auch gedacht, es könnte ein Kindersarg
sein, aber er ist zu groß dafür. Es könnte natürlich trotzdem ein Kind drinliegen,
aber...
Th: Kann es sein, das du zusätzliche Hilfe brauchst,
um den Sarg zu öffnen, vielleicht deine Kraft einsetzen mit dem Schlagstock...
zum Beispiel...
Kl: Nee, ich sehe gerade, daß da Schrauben dran sind. So vier
große Schrauben. Und da brauche ich jetzt einen Schraubenschlüssel, damit ich
das aufmachen kann....Einen Schraubenschlüssel finde ich nicht, aber eine Zange,
damit kann ich die auch aufdrehen. – Lachend – dann habe
ich noch Zeit gewonnen, dann kann ich noch drehen an den Dingern – Th.
lacht mit -.
(Daß der Sarg schwer aufgeht ist Ausdruck ihrer eigenen
Widerstände - hier sehr schön zu sehen.)
Th: Ja, sag doch mal dem Sarg, daß du Angst oder so hast, ihn
zu öffnen.
Kl: Ich habe keine Angst, ich bin unsicher....Ja, oder vielleicht
auch Angst, je nachdem, wer da drin liegt – lacht -. Dann geht
ja wieder irgend eine Geschichte ab...Ja, ich will mir Zeit lassen, dich aufzumachen.
Th: Ja, das ist auch okay, laß dir die Zeit.
Kl: - Pause – so, das war jetzt die erste Schraube.
– Pause – so, und jetzt die zweite – atmet schwer,
Pause – und jetzt die dritte – lange Pause –
jetzt kommt die vierte Schraube – Pause – so, und jetzt
mach ich den Deckel auf.... Ich schiebe ihn erstmal nach oben. Das sind Füße,
Erwachsenenfüße, von einem Mann.... Und jetzt mach ich den Deckel ab... Es ist
der Kurt, der da liegt – atmet tief -.
Th: Ja, beschreib mal, was du siehst.
Kl: Er liegt drin, als würde er schlafen, er hat die Augen
zu, aber er ist ganz weiß und ganz dünn. Er sieht ziemlich tot aus.
Th: Ist er normal gekleidet, oder...
Kl: Nein, er hat gar nichts an, er liegt nackt da
drin – räuspert sich.
Th: Ja...wie geht es dir damit, daß er da liegt... tot? Und
sags mal ihm.
Kl: Es erschreckt mich, daß du hier tot liegst...
(Die Kl. atmet nur flach, macht sich damit ebenso leblos.)
Th: Reagiert er? – Kl: Nein.- Laß
dich mal atmen – atmet selber laut vor -. Ja, atme
mal weiter, ja...ja...Was geschieht mit dir, wenn du da jetzt stehst und ihn
siehst?
Kl: - Atmet tief durch – naja, ich hab so das
Gefühl, ich habs geahnt, daß es so weit kommt.
Th: Sag´s mal zum Kurt.
(Auch im folgenden muß die Kl. immer wieder erneut aufgefordert werden, direkt
ihre Innenweltpersonen anzusprechen. Auch hier drückt sich ihre vorläufige Vermeidungshaltung aus.)
Kl: Ich habs geahnt, daß es mal mit dir soweit kommt....Das
ist eigentlich Ausdruck meiner Angst, die ich um ihn habe....Aber er atmet ja
noch.
Th: Sags ihm.
Kl: Ich bin am Überlegen, wie ich ihn....
Th: - mit Nachdruck - sags ihm.
Kl: ...wieder lebendig bekomme.Oder wie ich dich zumindest
mal wieder ansprechbar bekomme.
Th: Wie reagiert er?
Kl: Gar nicht.
Th: Hm, gar nicht... Ich hab die Idee, daß du mal den lebenden
Kurt dazu holst, um ihm das mal zu zeigen, wovor du Angst hast.
(Th. holt ein neues Element hinzu, um Bewegung in die
Situation zu bringen.)
Kl: - Pause
– Ja, ich hab Angst, daß es mal soweit mit dir kommt, daß du stirbst,
wenn du so weiter machst.
Th: Wie reagiert er darauf?
Kl: Er ist sehr erschreckt, sehr erschrocken.
Th: Frag ihn doch mal, ob er möchte, daß er wieder ins Leben
kommt.
Kl: Möchtest du, daß der Kurt wieder ins Leben kommt? Ja, er
muß wieder ins Leben kommen, sagt er. Er fühlt sich schuldig daran, daß dieser
Teil, dieser Kurt tot ist.
Th: Was fühlst du, wenn du das hörst?
Kl: Ich fühle, daß der lebendige Kurt für diesen toten zuständig
ist, das fühle ich schon.
Th: Dann sag ihm das mal.
Kl: Du bist dafür zuständig, daß dieser Kurt wieder lebendig
wird...Es ist übrigens interessant, daß dieses Kind aus dem Sonnenblumenfeld
jetzt auch dazu kommt, was ja auch halbtot ist.
(Das "Kind aus dem Sonnenblumenfeld" stammt aus einer vorangegangenen
Session und ist das innere Kind von Kurt.)
Th: Liegt es auch
mit im Sarg?
Kl: Nein, es kommt jetzt aus dem Sonnenblumenfeld. Es sieht
sehr blaß und dünn aus. Es hat übrigens eine Sonnenblume in der Hand.
Th: Wie reagiert denn der erwachsene Kurt darauf?
Kl: Genauso erschreckt wie auf den toten Kurt.
Th: Magst du ihn mal ansprechen und ihm sagen, wie es dir geht, wenn
du ihn siehst?
Kl: Also ich finds
schön, daß er kommt.
Th: Daß du kommst, sprich ihn direkt an.
(Die Kl. muß immer wieder in der Konfrontation gehalten
werden. Ihr Versuch, Abstand zum Erleben zu wahren, ist deutlich.)
Kl: Schön, daß du gekommen bist, daß du zu uns gekommen bist.
Er sagt, daß er wahrgenommen und angenommen werden möchte, vom Kurt... Er steigt
jetzt in den Sarg, zum Kurt, und legt sich dazu, mit seiner Sonnenblume. Es
ist jetzt so, als würden die beiden verschmelzen, als würden sie eins. Als wären
sie siamesische Zwillinge, wie sie da im Sarg liegen.
(Die Wiederholung eines Musters, vergleiche mit dem Bild "Sargmutter
und halbtotes Baby".)
Th: Reagiert der tote Kurt im Sarg?
Kl: Er hat die Augen aufgemacht – Pause -.
Th: Du hast gesagt, es ist seine Aufgabe...was
kannst du denn jetzt noch dort tun, oder was willst du dort jetzt tun...wo zieht
es dich hin?
Kl: - Pause – es zieht mich schon dahin, ihm
jetzt beizustehen... also nicht für ihn zu tun, aber mit ihm zusammen überlegen
oder halt irgendwas zu tun, das dieser Kurt und dieses Kind aus dem Sarg rauskommen
und vor allem auch lebendig werden (eine deutliche Projektion).
Es ist zwar seine Aufgabe, aber ich habe nicht das Gefühl, daß ich mich jetzt
aus dem Staub machen kann, das möchte ich auch nicht, ich möchte schon dabei
sein.
(Die Kl. distanziert sich wieder, behandelt Kurt wie eine Außenperson.)
Th: Frag doch mal den Kurt im Sarg,
welchen Anteil von dir er repräsentiert, welche innere Person von dir ist er?
(Ein Versuch, sie näher an ihr eigenes Erleben zu bringen.)
Kl: Welche innere
Person von mir bist du?... Er sagt, deine tote Mutter. Und deswegen auch das
tote Kind. Es ist ja praktisch auch wieder Mutter und Kind, was jetzt da liegt.
Th: Hol doch mal deine tote Mutter im Sarg mit dem halbtoten
Baby im Arm dazu, aus der ersten Session. – Kl: Hm - ...Dann
haben Kurt und du einiges gemeinsam hier: er steht an seinem Sarg, du an deinem...
Kl: Ja genau. Ich steh vor meinem Sarg mit meiner Mutter und
dem toten Baby, und er steht vor dem Sarg mit sich und dem toten Baby.
Th: Genau... Ich hab jetzt die Idee, daß du mal deine lebendige
Mutter, die du ja inzwischen auch hast, mit dem lebendigen Baby dazu holst.
Aber vielleicht hast du ja einen anderen Impuls.
Kl: - Pause, räuspert sich – Pause
– ich habe keine Idee, für mich ist das irgendwie so eine festgefahrene
Situation, daß ich eigentlich nicht weiß, was ich machen soll. Ich fühl mich
eigentlich nicht zuständig, es für ihn zu tun, ich möchte ihn aber auch nicht
damit alleine lassen, weil... es ist ja auch ein Stück von mir, es hat mit mir
zu tun, und... ich mach das jetzt einfach mal, deinen Vorschlag, ich hab keinen
anderen.
Th: Du kannst auch erstmal in deiner Ratlosigkeit bleiben,
das ist auch okay. Einfach mal spüren und wahrnehmen, vor was du da stehst.
Schau es dir mal an... wie fühlt sich das denn an, was du da siehst?
Kl: Also, ich spür ne gewisse Ohnmacht. Weil ich selber kann
und will auch nichts tun, ich wüßte auch gar nicht, was. Mir ist sehr deutlich,
daß das nicht meine Aufgabe ist, daß ich aber beteiligt bin. Und irgendwie geht
es mir so, daß ich diesen großen Kurt schütteln möchte, oder dem irgendwie sagen,
nun mach was.
(Obwohl sie ihren eigenen Anteil bereits gesehen hat, konzentriert
sie sich wieder ganz auf Kurt.)
Th: Dann mach genau
das, dann schüttel ihn mal. – Anfeuernde Musik wird eingespielt
-.
(Erstmal geht die Th. mit der Projektion mit – wenn sie Kurt
lebendig macht, muß sie selbst auch lebendig werden.)
Kl: - Mit der gleichen Stimmlage wie vorher –
ja kümmer dich endlich mal drum, um deine toten Anteile, nimm sie an, schmeiß
sie aus dem Sarg, mach irgendwas, aber mach was. Und steh nicht einfach da und
gucke. Und erwarte, daß ich was tue. So kommt es mir vor, so nach dem Motto,
mach mal, aber das tue ich nicht. Weil es sind seine Anteile.
Th: Rede mit ihm...es sind deine
Anteile.
Kl: Es sind deine Anteile, du mußt jetzt was tun, oder ich
möchte, daß du was tust.
Th: Reagiert er denn auf dein Schütteln?
Kl: Ja. Er guckt zwar immer noch ratlos, aber immerhin
hat er mitgekriegt, daß was passieren soll.
Th: Sags ihm.
Kl: - Atmet schwer – tja, ich weiß
es auch nicht. Am liebsten würde ich ihm sagen...
Th: Sag ihm alles selbst.
Kl: Also ich hab dir ja gesagt, daß ich dir beistehen würde,
aber du solltest die Dinge selber tun. Mein Impuls wäre, du solltest dich als
erstes um das Kind kümmern. Aber ich bin unsicher, ob ich da zu weit gehe, oder...ob
das in Ordnung ist, wenn ich dir einfach den Tip gebe.
Th: Na, immerhin hast du ja einen Erfahrungsvorsprung, du hast
ja schon einige Synergetiksitzungen gemacht, vielleicht braucht er noch deinen
Rat... Oder schick ihn mal in eine Synergetik - Therapie, mal gucken, ob er
es dann macht. – Beide lachen -.
Kl: - Jetzt bestimmter – also ich
bin dafür, daß du dich jetzt um das Baby kümmerst, um das Kind, das extra aus
dem Sonnenblumenfeld zu dir gekommen ist, und du solltest dich drum kümmern...
(Hier findet eine Wiederholung statt: In der ersten Session
wollte die Kl. nicht ihr Baby zu sich nehmen.) Ja, er meint auch, es
wäre an der Zeit... Jetzt nimmt er erstmal dem Kind die Sonnenblume aus der
Hand und legt sie auf dem Sargrand ab. Und dann nimmt er das Kind aus dem Sarg.
Also das ist nicht so festgewachsen, es hat sich nur so dran geschmiegt. Und
jetzt nimmt er das Kind auf den Arm, noch ein bißchen unsicher, aber es ist
jetzt so ein ähnliches Bild, wie meine Mutter, die mich, nachdem sie aus dem
Sarg ist, auf den Arm genommen hat so, nicht glücklich, aber sie hat es wenigstens
auf den Arm genommen. Und so hat er dieses Kind, das ist allerdings kein Baby,
es ist schon etwas größer, so vielleicht zwei Jahre. Und er hat das jetzt auf
dem Arm und er drückt es jetzt so an sich... und ja.. er hat es zumindest zu
sich genommen.
(...wie die Sargmutter die kleine Birgit)
Th: Dann wirf mal einen Blick in den Sarg, ändert sich da was?
(Eine Überprüfung der Bilder, um abzuschätzen, wieviel sich
geändert hat.)
Kl: Naja, der Kurt
da drin hat ja die Augen auf und er guckt lebendiger. Also nicht mehr ganz so
blaß und tot.
Th: Hm, sags mal zu ihm.
Kl: Du siehst schon besser aus als vorhin. Und du hast die
Augen wenigstens auf, und die bewegen sich auch.
Th: Frag ihn doch mal, was er braucht, um wieder ins Leben
zu kommen.
Kl: Was brauchst du, um wieder ins Leben zu kommen?...Er hat
gesagt, er braucht Liebe – Pause -.
Th: Frag ihn doch mal, was passiert ist, daß er sich
in den Sarg gelegt hat. Laß es dir mal von ihm zeigen.
Kl: Warum liegst du denn überhaupt in dem Sarg? Kannst du mir
zeigen, wie du da rein gekommen bist?... Das gibt’s ja nicht. Er zeigt
mir seine Hochzeit. Wie meine Mutter ihre Hochzeit. Das ist ja Wahnsinn.
(Auch hier wieder eine Wiederholung des Musters.)
Th: Dasselbe Muster – Pause -. Ja, was nimmst du wahr?
(Eine Reflexion auf der Metaebene, die die Kl. aber auch nicht zu sich führt.)
Kl: Ja, ich seh ihn halt in einem schwarzen Anzug mit einem
weißen Hemd, er hat auch eine schwarze Krawatte an, ne.
Th: Wie auf einer Beerdigung.
Kl: Ja. Und seine Frau hat auch ein dunkles Kleid an. Die ist
wahrscheinlich auch gestorben an dem Tag, hab ich so das Gefühl. Also die beiden
sehen aus, als würden sie zu einer Beerdigung gehen. Es ist aber klar, daß es
die Hochzeit ist.
Th: Und wo sind sie, schau dir mal die Umgebung an.
Kl: Ja, bei einer Kirche, mit einem Friedhof außen
rum. Das ist ja bei Kirchen oft so, aber...- Kirchenglocken werden eingespielt
-. Mir wird richtig schlecht – fängt an zu weinen -. Ich
seh jetzt auch, wie sie ihn gleichzeitig beerdigen, mit so zwei Schnüren wird
der Sarg ins Grab gelassen – Todesglocken werden eingespielt
-.
Th: Was fühlst du denn, wenn du das siehst?
Kl: Mir geht es so, daß ich ihn fragen will...
Th: Frag ihn gleich selbst.
Kl: Ja wie geht’s dir denn, wenn du das siehst?... Oh
scheiße, oh scheiße, das gleiche wie bei meiner Mutter. Scheißkatholische Erziehung!
(Sie gibt die Frage an sie gleich weiter an Kurt. Auch
hier deutlicheVermeidung.)
Th: Was sagt er denn?
Kl: Naja, sowas wie das ist gottgewollt, wenn sich Mann und
Frau das Jawort geben, daß man dann zueinander steht, egal wie dreckig es einem
da geht.Also so dieses... was meine Mutter gestern auch als Kind gesagt hat...also
so dieses, dieses... so ist es halt. Und er sagt es auch so, wenn man heiratet
und gläubig ist. Also er hat es mir jetzt so rüber gebracht, genau das gleiche
Muster.
Th: Du könntest dir jetzt mal von ihm zeigen lassen,
wo es bei ihm angefangen hat... oder du holst mal deine Mutter als Kind dazu,
daß sie ihm mal zeigen kann, was sie gemacht hat, damals bei
ihrer Kommunion. Versuch mal, ein bißchen zu spielen mit deinem Bild, Chaos
reinzubringen, irgendwas zu machen, damit er da nicht zugeschaufelt wird.
(Durch die Konfrontation von Bildern desselben Musters
kann Chaos ausgelöst werden.)
Kl: Ja, das Kommunionskind soll mal kommen, mit der weggeworfenen
Kerze, dem zerrissenen Kleid und den weggeworfenen Schuhen.
Th: Sags mal ihr, daß sie jetzt kommen soll.
Kl: Paß mal auf, du gehst mal zum Kurt und erzählst ihm, was
du gestern gemacht hast. Daß du deine Kommunionskerze weggeschmissen hast, daß
du dein Kleid zerrissen hast, daß du dir deine Schuhe schmutzig gemacht hast.
Und daß du auch mit dem Jesus am Kreuz gesprochen hast und was der dir gesagt
hat. Sag ihm das jetzt.
Th: Sie soll es ihm besser zeigen, ganz konkret die Bilder,
dann wird es anschaulicher.
(Veränderungen müssen über Bilder sichtbar gemacht werden, sonst
ist es zu abstrakt und bewirkt kaum etwas.)
Kl: Ja genau, hier Kurt, guck dir das mal an. –
Pause -. Ja, was der Jesus gesagt hat, "bleib lebendig, mein Kind",
das hat ihn sehr berührt, das hab ich gemerkt.
Th: Sags mal ihm, ja.
Kl: Ich hab gemerkt, daß dich das sehr berührt hat,
daß meine Mutter mit dem Jesus am Kreuz gesprochen hat und das der gesagt hat,
bleib lebendig, mein Kind... Frag ihn doch auch, mach doch das gleiche –
Th: Genau -. Mach doch das gleiche. Laß dich von dem Kommunionskind
dahin führen und sprich du auch mit dem Jesus am Kreuz...Ja, das findet er gut,
das macht er..... Was er sagt, das paßt schön: Bleib auch du lebendig, mein
Sohn – beide lachen –. Das ist genau das Gegenteil von
dem, was der Schwiegervater gesagt hat...Ja, dann sollte er jetzt alles dransetzten,
daß dieser Sarg nicht zugeschaufelt wird...
Th: Er kann sich das ja mal ansehen, was mit seinem Leben passiert,
wenn er jetzt diesen Schritt macht. – Kl: Hm -. Drogenabhängige
Kinder, er wird immer dünner und blasser, außereheliche Beziehungen, usw. usw.
Kl: Genau, das soll er sich jetzt mal angucken.
Th: Und zum Schluß liegt er noch im Sarg, als lebende
Leiche.
(Der Ausdruck der Th. wird jetzt drastischer, um die Kl.
aufzurütteln.)
Kl: - Leise -ja guck dir dein Leben an, was daraus
wird. Vier Kinder, die du nicht wolltest, mit allen Problemen,... und zum Schluß
liegst du im Sarg. Fast tot.
Th: Jesus guckt ja jetzt sicher auch zu, oder er weiß es ja
sowieso, er weiß ja alles. Was sagt denn Jesus dazu, ist das christlich, ist
das in seinem Sinne?
Kl: Niemals, Jesus ist entsetzt darüber, was in seinem Namen
alles passiert – Pause -. Ja, vielleicht sollte man ihn fragen,
ob er das alles gewollt hat, mit seiner Entscheidung? Wenn er jetzt sein Leben
betrachtet, bis hin zum Sarg...
Th: Ob er sich jetzt anders entscheiden will, oder ob er immer
noch sagt, naja, dann muß ich es halt machen...
Kl: Könntest du dich jetzt anders entscheiden?.. Er guckt noch
etwas ratlos, aber immerhin ist er schon mal verunsichert.
Th: Frag ihn mal, wann das Leben aus ihm gewichen ist? Irgendwo
ist ja eine Sperre, es wird ja nicht richtig lebendig. Bei dir nicht, bei ihm
nicht...Ist es der Schwiegervater, oder wo hängt es?
Kl: Er hat Angst vor dem Schwiegervater...aber er hat auch...also
das ist ja schon früher entstanden, dieses... also das Schicksal, das vermeintliche
Schicksal auf sich zu nehmen. Das ist ja viel älter, das ist ja nur...ein Ereignis,
ein einschneidendes, aber.. ein Ereignis in seiner Lebensgeschichte...Das geht
ja zurück bis in den Mutterleib.
(Hier spricht sie abermals – wie bereits am Anfang
– das Kernproblem an, ohne sich dessen bewußt zu sein.)
Th: Er könnte sich jetzt entscheiden, okay, jetzt, wo er die
Konsequenzen gesehen hat, ab heute sein Leben zu verändern. Auch wenn es schon
viel früher angefangen hat, aber...Oder er geht nochmal in den Mutterleib zurück.
Es wäre beides möglich. Eigentlich müßte es doch reichen, er sieht, wie er da
begraben wird, und er steht da immer noch unsicher rum.
Kl: Ja, eigentlich müßte das reichen.
Th: Was soll denn noch schlimmer werden? Oder... ist es gar
nicht schlimm für ihn?
Kl: Ist es gar nicht schlimm für dich, wenn du das siehst?...
Er sagt, es ist sein Schicksal, er hat es so verdient.
Th: Ja, dann ist natürlich auch keine Motivation da, es zu
verhindern.. Wie kommt er denn darauf, daß er das verdient hat? Kann er dir
das mal zeigen, oder willst du es überhaupt sehen?
(Hier spricht die Th. die Motivation der Kl. an: daß es
von ihr abhängt, was in ihrer Session passiert, nicht von Kurt.)
Kl: Ja, er soll mir das mal zeigen.... Ja, weil seine Mutter
schon während der Schwangerschaft entsetzt war, daß sie schwanger ist, ein Kind
kriegt. Daß sie ihn nicht wollte. Weil sie nicht an den Vater gebunden sein
wollte... Das ist wie bei mir. Ich erlebe in ihm meine eigene Geschichte.
Th: Ja, sags zu ihm.
Kl: Ich erlebe in dir meine eigene Geschichte.
(An dieser Stelle kommt die Kl. erstmals in ihr eigenes
Erleben.)
Th: Und deswegen
sind es auch deine Bilder, deine eigenen Muster, was du jetzt siehst. Spür doch
mal, was du jetzt machen willst, ob du handeln kannst, oder fühlst du dich ebenso
gelähmt?
Kl: Du meinst, daß ich jetzt doch in sein Schicksal mit eingreife,
weils einfach auch meins ist?
Th: Ja, letzten Endes ist es nur deins... Was hast du für einen
Impuls?
Kl: Ja momentan geht das so ineinander über, Kurt im Mutterleib
und ich im Mutterleib. Also ich flippe da als Embryo rum, und spüre einfach,
daß ich nicht erwünscht bin, daß ich eine Katastrophe bin. Wie gesagt, das ist
ein Gefühl, ob ich das bin oder er, das ist eigentlich egal... Und...ja... und...
ich weiß jetzt nicht, was ich hier im Mutterleib machen kann, um was zu ändern.
Th: Magst du mal deiner Mutter sagen, was du spürst?
Kl: Ja, ich fühl mich schrecklich unglücklich, ich bin hier,
und ich komme zu euch, und ihr wollt mich nicht.
Th: Horch mal, ob sie reagiert auf dich.
Kl: Sie sagt einfach, wir wollen dich nicht....Wir können dich
jetzt nicht gebrauchen – holt tief Luft -.
Th: Ja, atme mal weiter. Ja, und atme weiter...Was geschieht
mit dir, wenn du das hörst?
Kl: - Atmet schwer – ich bin verzweifelt. Ich
weiß nicht, was ich tun soll, ich kann nicht zurück und ich kann nicht vor.
Gar nichts.
Th: Sag das deiner Mama.
Kl: Ich kann überhaupt nichts tun. Ich bin einfach da, ich
kann nicht zurück, und nach vorne kann ich auch nicht.
(Wiederholung eines Musters, das bereits in der ersten Session
Thema war.)
Th: Ich bin verzweifelt.
Kl: - Leise - ich bin verzweifelt.
Th: Wo spürst du die Verzweiflung?
Kl: Hier, bei der Atmung, und auch im Oberbauch – atmet
schwer-.
Th: Ja genau, atme da mal hin – atmet selbst laut
mit -. Atme mal in die Verzweiflung rein.
Kl: - Atmet tief weiter – es kommt auch so,
du bist an unserem Unglück schuld. Mir ist so, wenn ich auf Kurts Seite gehe,
aber es ist einfach eins. – Gähnt, hustet -. -Herzklopfen
wird eingespielt -. Es geht mir grad so, daß ich einfach weglaufen könnte,
auch aus der Sitzung, einfach weglaufen.
Th: Ja, bleib mal da, und laß die Verzweiflung noch wachsen.
Atme mal in die Brust, ja. Du kannst nichts machen...nicht vor und nicht zurück.
– Kl. gähnt -. Ja, atme mal weiter – Th. unterstützt
Atmung duch lautes Mitatmen -.
Kl: Oh, mir geht’s total beschissen, ich möchte nur weg,
ich möchte nur weg!
Th: - Laut - ja, ja, geh mal weiter rein, drücks mal
aus, ich möchte nur weg, ich will nur weg! Atme mal weiter, atme mal weiter,
ohne Pause! – Dampflok wird eigespielt -.
Kl: Ich will sterben!
Th: Ja, atme mal weiter, weiter! Geh mal mit dem Atem mit.
Kl: Es ist so furchtbar, ich halt es nicht aus.
Th: Doch, bleib jetzt hier, steig jetzt nicht aus!
Kl: Ich hab aber solche Angst!
Th: - Sehr laut - ja, sags
deiner Mutter! Sags deiner Mutter!
Kl: - Schreit – ich hab solche Angst!
Th: Ja, ja!
Kl: - Reißt sich die Augenbinde ab und setzt sich hin
-. Ich will nicht mehr!
Th. – Laut - doch, steig jetzt nicht
aus, sags deiner Mama!
(Hier ist es ganz entscheidend, daß die Kl. nicht
abbricht.)
Kl: - Springt auf, hält sich an der Th. fest mit weit aufgerissenen
Augen, schreit – nein, nein, ich kann nicht mehr, ich kann nicht
mehr! Ich sterbe!
Th: Geh da jetzt durch, du kannst jetzt nicht aussteigen! Sags
deiner Mama, ich kann nicht mehr! Du bleibst am Leben, Birgit, du bleibst am
Leben, aber geh da jetzt durch!
(Die Kl. ist bereits so tief in ihrer Todesangst, daß
sie tatsächlich glaubt, jetzt sterben zu müssen. Ein Abbruch an dieser
Stelle hätte fatale Folgen.)
Kl: Nein, ich sterbe, ich sterbe jetzt!
Th: Du bleibst am Leben!
Kl: – Hält sich weiter krampfhaft an Th. fest
– ich sterbe! Ich sterbe! Ich kann nicht mehr! – Schreit jetzt
sehr laut – ich sterbe!!!
Th: - Schreit – ja genau, schrei es heraus!
Ich will nicht sterben! Ich will leben!
(Hinter der Angst zu sterben ist ja der Wunsch zu leben.)
Kl: Ja, ich will leben! Ich will leben! – Immer lauter
– ich will leeeeeeeeeben! – Th. feuert an, schreit mit ihr zusammen
-.Kl. nur noch leise – ich will leben. Ich will leben – fängt
an zu weinen -.
Th: Ja, genau, jetzt nimm den Schlagstock – drückt
ihr den Schlagstock in die Hand, schlägt ebenfalls mit -. Ich will leben!
(Ihre Lebensenergie kann sie am besten über ihren Körper
spüren.)
Kl: -Weint und schreit verzweifelt, schlägt mit dem Schlagstock
– Ich will leben, ich will leben, ich will leben!
Th: - Schlägt mit, feuert an – ja ich will leben.
Du lebst! Ja, genau....Spür mal, wie du lebst!... Ja, ich will leben!
Kl: - Schreit und weint immer wieder "ich will leben".
– Lacht zwischendurch, weint dann wieder lange sehr verzweifelt. Nach
einiger Zeit kommt ein Würgreiz, sie spuckt mehrmals, über längere Zeit in den
Eimer.
Th: - Unterstützt sie mit einer Hand an ihrem Rücken
- ja genau, alles raus damit, alles raus! ... Spucks aus. Ja.... Laß einfach
deinen Körper machen.
Kl: - Fängt wieder an zu weinen, jetzt leiser und traurig
-. Keiner mag mich. Keiner braucht micht. Ich bin so verdammt alleine auf der
Welt.... Keiner kriegt es mit, wenn ich Nähe brauche. Ich will einfach nur spüren,
daß jemand da ist. Aber es ist keiner da, kein Schwein ist da! Ich bin so allein
auf der Welt. – Weint jetzt wieder lauter -.
Th: Ja ja, schrei mal ganz laut, damit jemand kommt! Du hast
inzwischen auch eine gute Mama. Schrei mal ganz laut, damit sie dich hört!
Kl: - Schreit und weint laut – Mama! Mama, Mama!
Th: Ja genau, ruf sie – Babygeschrei wird eingespielt
-. Ja, genau.
Kl: Mama, Mama, Mama.
Th: Kommt sie denn?
Kl: Sie steht schon am Türrahmen...- Ruft und weint immer
wieder nach Mama. -. Mama, geh nie wieder weg, laß mich nie wieder alleine...
Ich will nie wieder Angst haben so alleine. Mama....-Pause –
jetzt beugt sie sich zu mir runter... Jetzt nimm mich doch schon, Mama –
atmet tief - ...jetzt hat sie mich auf dem Arm – leise Musik
wird eingespielt -.
Th: - Nach einigen Minuten – bist du noch bei
ihr auf dem Arm?
Kl: Ja. Mein Kopf liegt mit dem einen Ohr an ihrer Brust. Ich
höre ihr Herz schlagen.
Th: - Nach ca. fünf Minuten – ist es in Ordnung,
wenn ich dich jetzt allein lasse?
Kl: Ja.
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