Schuppenflechte (210) Tod und Ja

Die Klientin ist 44 Jahre alt, lebt seit ca. 10 Jahren allein. Sie arbeitet erfolgreich als Abteilungsleiterin in ihrem Beruf in einem großen Hotel. Vor kurzem verstarb ein jüngerer Bruder. Einige vage Selbstvor-würfe, sich nicht genug um ihn gekümmert zu haben, riefen eine stark juckende Hautirritation am Körper und eine Schup-penflechtenbildung auf der Kopfhaut hervor. Ansonsten geht es ihr gut und sie hat keine Probleme. Sie ist außerdem seit geraumer Zeit auf der Suche nach einer neuen Lebensaufgabe und macht nun selbst 4 Sitzungen im Zuge der Grund-ausbildung zur Synergetik-Therapeutin.
In der ersten Sitzung begegnet die Klientin dem Tod, der ihr zeigt, dass sie ihre Lebendigkeit und ihre Sehnsucht in den letzten Jahren völlig verleugnet, ja sogar fast schon getötet hat, indem sie immer versuchte alles mit dem Kopf zu steuern und zu kontrollieren.
In der zweiten Sitzung geht sie bewußt durch das Tor der Freiheit und beschäftigt sich intensiv mit abgespaltenen Anteilen.
In der dritten Sitzung setzt sie sich mit ihren Eltern auseinander, geht in einen heftigen Energieausdruck, d.h. sie spürt und lebt ihre Wut ganz offen aus und kann den beiden erstmals tief vergeben.
In der vierten Sitzung schließlich klärt sie ihre bisherigen Beziehungen, sowie ihr Verhältnis zum Vater. Zum Abschluß dieses 4-tägigen Sitzungsblocks gibt es schließlich eine wunderschöne Hochzeit, bei der sich alles in der Klientin verbindet, versöhnt und vereinigt.
Schon am zweiten Tag nach ihrer Heimkehr jucken die Flecken ihrer Haut nicht mehr. Die Schuppenflechte auf dem Kopf ist bereits nach knapp einer Woche verschwunden, und nach einer weiteren Woche sind alle Flecken der Haut abgeheilt und verschwunden. Lediglich ein einziger marksgroßer Fleck hält sich noch weitere drei Wochen, allerdings ohne zu jucken. Er scheint gerade so als Mahnung zu stehen, um in den vorweihnachtlichen Streßsituationen kurz mal in sich zu gehen, an ihre inneren Figuren zu denken, sich an den Tod, mit seinen in der ersten Session dieses Vierer-Blocks gezeigten, düsteren Bildern zu erinnern.

Die Klientin befindet sich im Kellergang, von dem verschiedene Türen abzweigen. Sie entscheidet sich für eine neue Tür, auf der aber keine Aufschrift erscheint. Sie ist dennoch bereit, diese Tür zu öffnen. -Türknarren wird eingespielt-
Th: Wie ist deine Wahrnehmung, was siehst du?
Kl: Erstmal, die Tür geht nach innen auf, die anderen Türen gingen alle nach außen auf. Und drinnen ... da ist gar nichts, da ist nichts.
Th: Ok, geh mal rein und schau es dir mal an, das Nichts, und wie es sich anfühlt, und was du wahrnimmst dabei.
Kl: Da ist ein normaler Betonfußboden, grau, wie halt so’n Kellerfußboden, ein bißchen gerissen, staubige Wände und Spinnweben.
Th: Ja, das ist ja schon mal ne ganze Menge. Wie fühlst du dich denn, wenn du das so wahrnimmst?
Kl: (etwas ratlos) Überflüssig. Ja, irgendwie neutral, würde ich sagen.
Th: Sag’s dem Raum mal, teil es ihm mal mit, wie es dir geht, wenn du das so siehst.
Kl: (räuspert sich) Also Raum, ich kann mir nicht vorstellen, was du mir sagen willst. Ich fühl mich irgendwo hier fehl am Platze.
Th: Schau mal, wie er reagiert. Oder vielleicht zeigt er dir ja sogar, was er symbolisiert oder wer da ist.
Kl: Es geht nur ein Licht an. Aber auch dann ist nicht mehr da.
Th: Sags ihm mal, das war zu wenig, jetzt passiert gar nichts Besonderes mehr, oder so was.
Kl: Es ist zwar schön, daß du Licht gemacht hast, aber viel sagen tut mir das nicht. Damit kann ich noch nichts anfangen. - Pause - Jetzt steht da jemand.
Th: Ah ja, dann sprich ihn mal an.
Kl: Wer bist du denn? - Pause - Also, im Fasching sind wir noch nicht (schmunzelt). Also der Typ ist gekleidet wie so’n Sensenmann.
Th: Sag’s ihm mal direkt, daß du ihn für einen Faschingsscherz hälst.
Kl: Ich weiß nicht, wie ich dich ansprechen soll. Aber ich sag ja, im Fasching sind wir noch nicht, und ich weiß auch nicht, was du hier von mir willst. Vielleicht solltest du dich mal ein bißchen klarer ausdrücken. Der macht nichts, der steht einfach nur da und guckt in meine Richtung und hat seinen Hut tief in die Stirn gezogen.
Th: Geh mal näher ran und sag’s ihm mal, warum machst du nichts oder sowas, warum bist du aufgetaucht. Was soll das?
Kl: Was willst du hier? Wenn du mir etwas sagen willst, dann drück dich klar aus. -Pause - Er raschelt nur mit seinem Gewand. Also, also ein bißchen mulmig ist mir schon, aber ...
Th: Sag’s ihm.
Kl: Du machst mich irgendwie schon ein bißchen nervös, aber auf der anderen Seite könnte ich auch drüber lachen. Also was willst du?
Th: Wenn nicht, geh dichter, bis er reagiert. Er muß ja was machen.
Kl: Ich bin jetzt einen Schritt auf ihn zugegangen, und er geht ‘nen Schritt zurück.
Th: Sag ihm, er soll stehen bleiben. Du willst jetzt wissen, was das soll oder so. -Die Klientin weist ihn an, er soll stehen bleiben und fragt ihn noch einmal, was er hier will.
Kl: Ok, reden tut er nicht mit mir, aber er hat mit ner Armbewegung da ‘ne Sofaecke hingestellt. Hm, find ich toll (lacht)
Th: Kleiner Zauberer. Anscheinend will er mit dir reden, dann setzt euch doch mal hin und schau mal, was er will.
Kl: Ich setz mich jetzt erst mal hier hin, obwohl, das ist ein Sofa mit einem Lederbezug, der ist ziemlich kühl. Das ist nicht so angenehm.
Th: Kennst du das Sofa? Hat das eine Wirkung auf dich? - Klientin hatte schon mal ein ähnliches blaues Ledersofa, aber es hat keine Wirkung.
Kl: Also, ich sitz jetzt auf dem Sofa und er hat sich auf einen Barhocker oder so was, gesetzt, mitten im Raum, so ein Fuß abgestützt auf einer Fußraste und den einen runter. Ja, was machen wir jetzt hier?
Th: Wie geht`s dir mit ihm? Spür mal in dich rein, kahler Betonfußboden, da irgendwo so’n Licht, miese Stimmung, leer.
Kl: Also, da vorm Sofa liegt jetzt so ein Fußläufer.
Th: Ah ja, also ein bißchen gemütlich geworden, ein bißchen vertraut. Ach, frag ihn doch mal, schau was du ihn fragen willst, da steht jetzt der Sensenmann persönlich vor dir, da kann man die Gelegenheit mal nutzen, schau mal, was du wissen willst. Scheint ja irgendwas mit dem Tod zu tun zu haben. In welcher Form auch immer, frag ihn mal, was du fragen willst.
Kl: Ja, was für eine Bedeutung hast du für mich? - Pause - Du bist blöd! (Die Klientin ist leicht beleidigt) Du starrst mich nur an! Damit kann ich nichts anfangen!
Th: Macht er dich ärgerlich?
Kl: (verneint) Höchstens, ... ja, wie soll ich sagen, ... ein bißchen bockig. - Die Klientin soll es ihm sagen. - Du machst mich ein bißchen bockig, aber das bringt mich ja auch nicht weiter. Also, muß ich das irgendwie ... (sie seufzt, ist ratlos)
Th: Frag ihn doch mal, ob es das ist, was er bei dir erzeugen will, geht`s darum?
Kl: Bist du das, was du bei mir erzeugen willst, oder bist du ..., bist du überhaupt der Sensenmann oder vielleicht doch nur ein verhinderter Faschingsscherz?... Also er ist schon der Sensenmann und seine Augenlöcher, die glühen wie Kohlen, wie Eierkohlen. - Der Therapeut fragt, ob sie vor ihm Angst hat. Die Klientin verneint und sagt, es fühlt sich so an, als wolle er sie einladen.
Th: Ja, das klingt ja alles schon ein bißchen merkwürdig. Frag ihn doch mal, ob das stimmt, ob er wegen dir gekommen ist, ob er dir was zeigen will, ob er dich holen will. Ja, es könnte ja alles sein.
Kl: Also, bevor ich mich jetzt hier in Spekulationen verausgabe, möchte ich jetzt von dir wissen, was du hier willst. Willst du mir irgend etwas zeigen oder was sagen? Du bist doch nicht ohne Grund hier. Und wenn du nicht ohne Grund hier bist, dann möchte ich jetzt den Grund wissen. - Pause - Er steht auf und macht eine Geste, daß ich mitkommen soll. Jetzt fängt mein Herz an, weh zu tun. Und in meine Kehle steigt auch was hoch, ... und ich weiß nicht, ob ich mitgehen soll oder nicht. - Der Therapeut betont, daß es wichtig zu sein scheint, daß er extra gekommen sei, um ihr etwas zu zeigen, was immer es auch sein mag. Die Klientin seufzt tief. - Ok, wenn du schon nicht mit mir redest, ah ..., ok, ich komme mit. ... Wir sind jetzt auf einer Lichtung. - Die Klientin ist berührt und fängt zu weinen an.
Th: Ja, was passiert da?
Kl: (seufzt) Ja, er zeigt mir die Schönheit der Welt. Da ist ein wunderschöner Son-nenuntergang. Ein riesiger Wasserfall, der kommt einfach so ... aus dem Himmel, schöne Blumen, ‘ne ganz knorrige Eiche und wunderschöne Musik. Geigenmusik, ein Saxophon ist auch dabei. Aber ich weiß nicht, was das bedeuten soll (weint noch immer) Also, das berührt mich alles tief, aber ich weiß nicht recht, ob es mich „schön” berührt, oder ob es mich er-schreckt, weil, ich kenn den Grund nicht, den du mir damit sagen willst. ... Ist es ein Abschied nehmen oder ... oder ein Neu-beginn? (weint noch immer, atmet schwer) Also ein Neubeginn. Es ist ein Erinnern an ..., an Zeiten, wo ich das alles schon gesehen hab. - Die Klientin schluckt schwer, hält die Luft immer wieder an. Der Therapeut fordert die Klientin zwischendurch immer wieder auf, zu atmen.
Th: Ja, laß doch die Margarete (Klientin) mal auftauchen, die das alles gesehen hat. Schau mal, wie du ihr begegnest.
Kl: (atmet wieder ruhig) Das ist noch gar nicht so lange her. Vielleicht 3 Jahre. Und die Margarete, die geht ..., die geht auf die Berge ... ganz allein, und sie sucht sich Stellen aus, wo keine Touristen hinkommen. Sie sitzt unterm Baum, guckt die Schäfchenwolken oder auch die Gewitter-wolken, sieht alle möglichen Dinge darin. Die ist eins mit sich. - Sie soll es ihr sagen. - Ich sehe, daß du eins mir dir bist. Sag mir, wo hast du das verloren, wann hast du das verloren?
Th: Wenn nicht, frag den Tod. Der weiß es, der hat dich dahin geführt. (Die Klientin seufzt) Was passiert in der Zwischenzeit? (sie räuspert sich und holt tief Luft)
Kl: Ich weiß immer noch nicht, wie ich dich ansprechen soll. Du hast mir diese Bilder gezeigt. Diese Natur, diese pure Natur. Du hast Erinnerungen in mir geweckt - warum? - Pause - Um mich wieder dahin zu führen, um mir zu zeigen, wenn ich nicht aufpasse, stirbt noch mehr von mir , daß ich keine Kompromisse eingehen soll.
Th: Oder laß dir zeigen, welche Kompro-misse du nicht eingehen sollst.
Kl: (weint) Ich weiß es schon, es hängt mit der Arbeit zusammen. - Die Klientin soll mal eine Szene von selbst auftauchen lassen. Es taucht eine Szene von einem Gespräch mit ihrem Direktor auf, in deren Verlauf sie unter anderem eine Gehalts-erhöhung bekam. Danach war sie sich wieder unsicher, ob sie richtig handeln wollte, oder ob sich ihre Pläne, ab Mitte des folgenden Jahres das Haus zu verlassen, um in Ihrer neuen Richtung arbeiten zu können, nicht auch mit einem Kompromiß, vorerst auf halbe Zeit zu gehen, ändern ließen. Die Klientin scheint im Augenblick kopfgesteuert zu sein.
Th: Frag mal den Tod, diesen Sensen-mann, was er dazu meint. Weil, der ist ja aufgetaucht in diesem Kontext. Vielleicht kann er was beisteuern. Frag ihn mal, ich bin jetzt neugierig, was er dazu meint.
Kl: (tief Luft holend) Also, du dunkler Mann du, hängt das damit zusammen? Diese Art von Kompromissen?... Nein, das ist es nicht! .... Das ist es überhaupt nicht! - Also, welche Kompromisse soll ich nicht eingehen? ... Da ist das Zimmer bei meinen Eltern. Das ist auf dem Boden, nicht auf dem Boden, aber halt oben im Haus, (schluckt) und für den Fall, daß ich die Arbeit aufgegeben habe, aber eben noch nicht meine Miete zahlen kann (mit dem neuen Beruf), könnte ich da wieder einziehen. Und ich soll die Finger davon lassen. Zu Besuch ist gut, aber nicht da wohnen, hm , ist das schon alles? Mehr hast du dazu nicht zu sagen? (schluckt) -Auf die Frage des Therapeuten, wie er darauf reagiert, bekommt die Klientin wieder die Natur vorgeführt. Sie vermutet, das sei wohl etwas, was sie im Moment sehr stark vernachlässigt. - Jetzt sehe ich mich im Spiegel, mit den ganzen Flecken auf der Haut, und der Spiegel steht halt da mitten in der Natur und er zeigt mir halt ... du zeigst mir die Natur, du zeigst mir diesen Spiegel. Heißt das, daß das mein Problem ist? Hm also, das sieht ja wirklich lustig aus, wenn ein Totenschädel grinst. Auf jeden Fall hat er mit dem Kopf genickt. Das wär ja relativ simpel. Ich kann mir gar nicht vorstellen, daß das ... - Der Thera-peut fordert auf, es ihm direkt zu sagen. - Ja, also die Vorstellung, daß sowas simples hinter meiner Tür ist, ist schon irgendwie unfaßbar. - Pause - Jetzt ist gar keine Natur, jetzt sind nur Häuser, graue Häuser, überhaupt nichts Grünes. Ich gehe durch irgendwelche Straßen mit hohen Häusern. Kaum der Himmel ist zu sehen. Es ist grau und düster, grau, alles grau in grau. Die Menschen sind grau, alles ist grau ... Ich bin grau. Jetzt gehe ich um eine Ecke und da steht schon wieder dieser Spiegel und obwohl ich grau bin, ist mein Körper voller Ausschlag.
Th: Ja, dann frag dich im Spiegel, dieses Spiegelbild, was es bedeutet.
Kl: (seufzt und schluckt) Du da im Spie-gel, was bedeutet das? Mein Spiegelbild hält mir eine Topfpflanze hin, das ist das einzig Grüne in diesem Bereich. Und es guckt mich ganz traurig an. Die Topfpflan-ze ist reichlich verkümmert, und jetzt gibst du mir auch noch ‘ne Gießkanne (tiefes Luft holen), und jetzt nehme ich diese Topfpflanze und diese Gießkanne, und du freust dich. Und du hältst deine Hände..., also so`n Spiegel hab ich ja überhaupt noch nicht gesehen wie dich. Da lebst du da total im Spiegel und läßt deine Hände daraus gucken. Das ist wie ein Segen für die Pflanze (erstaunt), so und jetzt wächst sie wieder, im Zeitraffer! - Die Klientin soll mal fragen, was das symbolisch zu be-deuten hat, für was das steht. - Ich seh jetzt eigentlich, das ist ein Farn, ein Zim-merfarn. Der war ganz klein und mickrig und dann kamen diese Segenshände darüber und jetzt ist es ein riesengroßer Topf, den ich gar nicht so tragen kann. und es ist der Topf, mit dem Zimmerfarn, den ich meiner Freundin geschenkt hab, als ich nach Afrika gegangen bin. Und der war wunderschön gewachsen, und jetzt steht er bei meiner Freundin im Wohnzimmer und kümmert vor sich hin. Er ist noch genau so groß, aber ..., aber er kümmert halt ... Ich bin jetzt bei meiner Freundin im Wohnzimmer und stehe vor dem Farn mit der Gießkanne, und da kommt Wasser raus mit ... (total erstaunt) mit Sternchen irgendwie, ja wie in einem Zeichentrick-film, oder nee, Zeichentrickfilm nicht, wie so funkelnde Diamanten dazwischen. Und das ist, als wenn ... als wenn der Farn das genau aufsaugt und wieder im Zeitraffer grün wird. Und neue Blätter sich ausrollen! Farn, was willst du mir zeigen? (schluckt)
Th: Ja, was kommt?
Kl: Es läuft alles darauf hinaus, daß ich die Natur total vernachlässigt hab. Ich hab viel Zeit, aber ich nutze sie nicht richtig. Es ist so bequem, nichts zu tun, weil es läuft ja immer irgendwie, und morgen ist ja auch noch ein Tag. Ist das richtig? ... Genau das ist es.
Th: Wie findest du es, daß du es so wahrnimmst?
Kl: Ja also, das ist ein Wechselbad. Das alles spielt sich in der Brust ab. Erst ..., ja erst Ratlosigkeit, dann Beklemmung, dann Erstaunen, und dann hab ich die Pflanze gekriegt, wie so`n Klumpen direkt vor einer, ja Erkenntnis ist vielleicht übertrieben, aber vor irgendeiner Gewißheit. Und jetzt, ja, jetzt wird das halt frei und weiter. So`n bißchen ist da noch, aber es tut nichts weh oder so, sondern nur ... aber ... (überrascht) was tu ich hier in diesem Wohnzimmer? Wo ist meine Freun-din überhaupt, und was hat die mit mir zu tun? Die war schon mal da, in der Probe-session, ganz kurz. Katharina. - Der Therapeut läßt sie direkt selbst fragen, warum sie aufgetaucht ist. Die Klientin reagiert erstaunt. - Ah, das gibt es doch nicht! (tiefes Atmen) ... also, so richtig weiß ich auch nicht. Es kommt irgend ein Aspekt von Schuld wieder, ein Aspekt von Neid, wobei, wir sind anscheinend beide aufeinander neidisch.
Th: Frag sie mal, schau mal, ob sie mit dem Kopf schüttelt.
Kl: Ist das richtig? Ja, sie nickt mit dem Kopf. Worauf bist du neidisch bei mir? Hm, ist sie nicht, sagt sie. Ok, aber irgendwie glaub ich dir nicht so richtig. Also, was hat das Neidgefühl überhaupt mit uns zu tun? (sie schluckt wieder) Es ist ..., du hast den Absprung schon so lange ge-schafft. Ich hab dich auf den Weg ge-bracht und hänge selber fest.
Th: Ist dieser Sensenmann noch da? - Die Klientin verneint, er sei schon in der Stadt nicht mehr dagewesen. Gerade so, als hätte er nur über die Natur und Grün-pflanze zeigen wollen, wenn sie weiter in dieser tristen Gegend bliebe und die Na-tur nicht mehr sähe und ignoriere, sich nicht mehr mit ihr befasse, dann würde sie diesen Ausschlag und ähnliches mehr bekommen. Die Stadt würde sie halt krank machen. Dennoch zweifelt die Klientin, es sähe alles so unlogisch aus. Die Klientin soll nach dem wichtigsten Aspekt fragen.
Kl: Ok, wer immer da mir jetzt antworten kann, Katharina oder die Pflanze oder der Sensenmann oder der Spiegel, das Spiegelbild: ich spreche euch jetzt alle an, wer immer mir antworten kann, bitte sag mir oder zeig mir, was der wichtigste Aspekt ist, was ihr mir hier vermitteln wollt. Ich lauf anscheinend mit ‘nem Brett vorm Kopf rum. - Pause - (schluckt) Ich sehe da jetzt überhaupt niemanden. Ich höre auch niemanden, aber ich sehe, hm ja, wie so’n Osterei und da sitze ich drin. ... Ich als Person, und fülle das auch relativ gut aus und rund um mich sind ‘ne ganze Menge Leute??! Nee, Leute sind das nicht ... in Miniaturform irgendwelche Wesen. Und diese Wesen wollen alle in mich rein, weil sie dazu gehören! Und das ist gerade so, daß ich sie nicht alle reinlassen will. Und deswegen bin ich nicht ganz! - Die Klientin ist überrascht, erstaunt. - Ok, aber ... - Pause - wen will ich nicht reinlassen? Stellt euch doch mal auf. Die Leute, die ich reinlassen will, auf die rechte, die Leute, die ich nicht reinlassen will, auf die linke. Hm, (sie schmunzelt überrascht) die tun das sogar. Und wer seid ihr? - Pause - Da ist die Freiheit, hätt’ ich ja auch die Tür nehmen können (eine der Kellertüren hieß „Freiheit”), da ist die Lebendigkeit. (erstaunt und ungläubig) Die Lebendigkeit will ich nicht reinlassen?
Th: Schau sie dir doch mal an, wie sie ausschaut, was sie von dir will, was sie dir sagen will, wo du dich ihr verweigerst.
Kl: Ich glaub, ich bin heut im Fasching. Die Lebendigkeit sieht aus wie so’n Harlekin, mit lauter Glöckchen an der Mütze, an den Enden von den Kleidungs-stücken. In welchem Bereich will ich dich nicht reinlassen? (Sie fängt schwer an zu atmen, weint wieder) Ich laß niemanden an mich ran. Ich steuere sogar Freund-schaften nur noch über den Verstand. (verzweifelt weinend)
Th: Ist deshalb der Sensenmann da? Hat er auch diese Bedeutung?
Kl: Ja, (starke Verzweiflung) es wird alles so dunkel.
Th: Schau mal, welches Gefühl kommt dafür?
Kl: Ohnmacht, Hilflosigkeit und ‘ne totale Hitze, aber keine angenehme. (Sie weint immer noch)
Th: Sprich doch mal mit diesen Gefühlen. Spür mal, ob du das schon länger kennst, oder ob sie dir vertraut sind oder fremd sind. Sprich mit ihnen.
Kl: (weint) Ihr seid mir alle so vertraut, (schluchzt) ich kenne euch. Aber ich glaub, wenn ich euch schön auf die Seite packe, dann seid ihr nicht mehr da, dann stört ihr nicht. (Die Klientin hustet, weint, seufzt und kommt dann langsam zur Ruhe) Ich weiß nicht weiter ... Ich möcht so gern auf Menschen zugehen und tu das auch, ... manchmal ..., aber ... - Sie soll es dem Sensenmann sagen und den anderen und mal gucken, ob da irgendwer ihr helfen kann, ihr einen Tipp geben kann. - Hey Leute, ihr wißt, daß ich voller Widersprüche bin. Auf der einen Seite möchte ich, auf der anderen Seite möchte ich nicht. Und warum nicht? Da ist die Angst vor Verletzung, Angst vor Enttäu-schung und wenn ich nichts erwarte, dann hab ich auch keinen Grund, enttäuscht zu sein. Oder unglücklich zu sein. (weint wieder), aber auch keinen Grund euphorisch zu sein (schluchzt). Aber hinter all dem steht ..., steht riesengroß die Partner-schaft, der ich ausweiche, oder... (wie erkennend, spricht plötzlich klar und fest) ... überhaupt nicht mehr zulasse, daß ich jemanden kennenlerne, und das zeigen sie mir, ... ziemlich treffsicher.
Th: Ist das seit 5 Jahren? Weil dieser Zeitraum vorhin schon mal auftauchte.
Kl: Ja, eigentlich schon länger, aber seit 5 Jahren, jetzt bin ich 44J., seit 5 Jahren ist es ziemlich gewiß, daß ich bewußt dagegen steuere. Weil, da war das, daß ich angefangen habe, mit 38 eigentlich, daß ich angefangen habe, mich damit auseinander zusetzen, um ganz bewußt in die Wechseljahre zu kommen, daß endlich diese Sehnsucht aufhört. Und mit 39 hab ich es geschafft gehabt. Mit 39 hab ich meine letzte Periode gehabt. (Die Klientin ist wieder klar und beruhigt)
Th: Schau mal, was der Sensenmann dazu sagt. Laß ihn mal da sein.
Kl: Er ist da und nickt mit dem Kopf. (weint wieder)
Th: Ist er so was wie, du hast dich ein bißchen umgebracht, und dafür steht er?
Kl: (weint verzweifelt) Ja!
Th: Und in Wirklichkeit ist die Sehnsucht noch ganz lebendig in dir nach allem Lebendigen, - Die Klientin weint stark. -... Nach allem Schönen, was da war.
Kl: Ja, aber es hat doch funktioniert!
Th: Dein Kopf war stark!
Kl: Ich hab mich seitdem nicht mehr verliebt! Einmal so ganz kurz noch, aber... aber das hab ich schnell unter Kontrolle gehabt. Die Kontrolle steht da auch! - Der Therapeut schlägt vor, sie solle sich von der Kontrolle mal ein Bild zeigen lassen, sie auftauchen lassen. - Du bist riesen-groß, du bist größer als alle anderen, du bist selbst größer als der Sensenmann. Aber ..., (mit fester Stimme) was willst du überhaupt von mir? Du kontrollierst doch schon alles!
Th: Deine Sehnsucht nicht! Deine Sehn-sucht nicht, hol sie mal herbei. Schau mal, wie die beiden auskommen miteinander. Da scheint noch was lebendig zu sein in dir.
Kl: (tiefes Seufzen) Also, die Kontrolle, die sieht riesig groß aus, sehr massiv. Irgendwie haben sie alle meine Züge, aber die ist breitschultrig. Du bist breitschultrig und du hast einen ziemlich energischen Gesichtszug. Eine tiefe Stirnfalte, düster blickend, bestimmend, sehr bodenständig, mit Fäusten (Die Klientin holt Luft, sehr tief), massiv, massiv! ... Und du, Sehnsucht, irgendwie wächst du, aber du bist durchscheinbar, durchsichtig, zart besaitet, so als würde dich ein Windhauch umhauen, und trotzdem ist da eine Zähigkeit, die sich nicht auflöst.
Th: Nicht tot zu kriegen....
Kl: ... nicht tot zu kriegen! Und dieses zarte Gesicht ... Meine Hände fangen wieder an, die kribbeln wieder.
Th: Frag sie mal, was das bedeutet.
Kl: Hände, was bedeutet dieses Krib-beln? - Es ist ein Symptom, immer wenn ihr kribbelt, dann bin ich am Punkt, und schon kribbeln sie mehr.
Th: Ist ja toll von den Händen, die wollen dir helfen, dir was zeigen. Sie sind für dich da. Erlaub ihnen doch mal, zu tun und lassen, was sie wollen, zu handeln. Frag sie mal, was sie gern machen möchten, deine Hände. Überhaupt, erlaub ihnen mal, weil es ist ja auch ganz viel Kontrolle. - Während der Therapeut die Vorschläge macht, fängt die Klientin wieder zu weinen an. Sie weint so herzzerreißend, daß sie kaum noch Luft bekommt. Nachdem sie sich nach geraumer Zeit langsam wieder beruhigt hat, wird sie gefragt, was sie wahrnimmt jetzt, was passiert ist.
Kl: (spricht unsicher und stotternd) Da ist ..., da ist ..., also diese Sehnsucht, ganz durchscheinend, und dann ..., dann ka-men da überall, überall Hände, ganz kleine Hände, zarte Hände, aber auch große und massive Hände, also ja, fleischige Hände, nicht so durchscheinend, und alle ... (sie seufzt), alle ..., alle sind sie auf die Sehnsucht zu, nur die Hände, und haben sie berührt, und (weint) jetzt sind die Farben ... (schluchzt), die Farben sind ..., sind zwar durchscheinend, aber ..., aber eben farbiger. (weint) Und die ganzen Anteile, die da ..., die da so links und rechts standen, die sind alle ..., alle mit so ausfahrbaren Händen und berühren die Sehnsucht. (Die Klientin weint wieder sehr) Es ist gerade, als fließe Energie rein. Bloß die Kontrolle, die ..., die steht ein bißchen starr da, ... und ist ganz klein geworden.
Th: Ich wollte gerade sagen, berühr’ sie doch auch mal mit deinen Händen. Vielleicht will sie ja auch angenommen werden. Berühr’ sie einfach mal, geh in Verbindung. - Die Klientin bekommt in einem Weinkrampf kaum noch Luft. Später geht es in ein Wimmern und leises Weinen über. Sie beruhigt sich nur langsam, fast mit Zwang.
Kl: Du stehst da und die Tränen laufen. Und ich weiß, daß ich, daß ich dich immer verleugne. (Bricht wieder in verzweifeltes, fast hoffnungslos erschütterndes Weinen aus.) Es ist ..., es ist so ..., die ist so zusammen geschrumpft, und ..., und ..., und ich verleugne sie wirklich. Und dann ..., (schluchzt) und dann ist die Sehnsucht mit diesen ganzen Händen auf sie zu gegangen und hat sie in den Arm genommen.(Die Klientin weint bitterlich.) Und jetzt ..., jetzt sind die Beiden ...., die sind zusammen, und ich weiß gar nicht mehr, wer wer ist ... (weint noch immer sehr stark)
Th: Stell dich doch auch dazu, zu den beiden. Umarm sie, schau mal, ob das geht.
Kl: (verzweifelt) Das geht nicht. Das ist wie, als wenn die beiden jetzt eine Einheit sind und ich außen vorstehe. - Der Thera-peut rät, ihnen mal zu sagen, was sie jetzt wahrnimmt. - Ich hab das Gefühl, daß ihr beide euch jetzt so gut versteht und ich nicht mehr dazu gehör.
Th: Spür mal, woher du das kennst, oder schau mal, was die beiden tun. - Die Klientin stöhnt, daß sie kaum noch Luft kriegt. Sie soll es den beiden sagen und tut es. - Laß dir mal zeigen von den beiden, was da gerade läuft. Wenn du keine Luft mehr kriegst, dann ist da irgendwas ganz Wichtiges.
Kl: Es ist ... der Neid! Ich bin neidisch auf euch, daß ich nicht dazu gehöre. - Der Therapeut fragt, ob das ihr die Luft nimmt. - Ist das richtig? Nimmt mir das die Luft? .... Nein, Sie schütteln den Kopf. Sie haben nur noch einen Kopf, sie sind nur noch eine Person.
Th: Wie geht es dir jetzt, da du das im Abstand siehst?
Kl: Na ja, ich bin wieder ruhig innerlich. Meine Hände sind wieder kalt, aber, ... es ist, als wenn ..., als wenn die sich jetzt alle solidarisiert haben, und ich völlig leer davor stehe. Irgendwie, als wenn alle meine Anteile draußen sind, und ich ...
Th: ... gehörst nicht dazu.
Kl: ... nur noch Körper!
Th: Die müssen dir was zeigen wollen. Du mußt das kennen. Frag doch mal den Sensenmann, was sie dir zeigen wollen. Der hat dir die ganze Zeit so schön geholfen. Der hat dir was Wichtiges gezeigt. Frag mal, was sie dir zeigen wollen. Die reparieren sich, damit du das irgendwie wahrnimmst oder erkennst, oder was auch immer. Welche Situation ist es?
Kl: Ich brauch gar nicht mehr zu fragen. Es ist, ich stell’ mich abseits ..., ich stell’ mich abseits und grenz mich ab. Ich bau einen Zaun.
Th: Ok, warum machst du das? Welche Erinnerung taucht auf? Was ist passiert, daß du das machen mußt, daß deine Anteile weggehen von dir, damit du alleine bist, ausgegrenzt?
Kl: (ihre Nase ist dicht, aber sie ist ruhig) Robert, es ist Robert. - Sie soll beschreiben, wie er aussieht, was sie sieht, ihre Wahrnehmung. - Robert ist jetzt aufgetaucht, er ist...
Th: Sag`s ihm, ich hör zu.
Kl: Du bist ..., Robert (seufzend), du bist die Liebe meines Lebens ... (seufzt) es ist ... (tiefes Luft holen). Du bist die letzte Liebe meines Lebens, und auch die größte. Was ich bei dir empfunden hab, hab ich vorher niemals empfunden, obwohl ..., obwohl, wenn ich geliebt hab, war es immer größer als vorher, ... mehr als vorher, ... einzigartiger. Aber du, bei dir hab ich das erste Mal die Zeit der Verliebtheit, des Kennenlernens ganz total bewußt aufgenommen, ... genossen. Und ich habe das erste Mal ganz bewußt mir selber gesagt, ... genieß es, ... die Zeit vor dem ersten Kuß und vor dem „ersten Mal”, die ist so schön, und doch geht sie kaputt mit dem allerersten Kuß. (sehr tiefes Seufzen) Und dann, und dann die Erkenntnis, daß du nur Freundschaft willst. (Die Klientin weint still und leise) Warum hast du um mich geworben? Warum hast du mir gezeigt, daß du mich liebst, ... mit jeder Geste? ... Und mir dann gesagt, dein Herz macht nicht mit! (sie ist wieder verzweifelt) Warum hast du es so weit kommen lassen? Du hast doch gesehen, was bei mir wächst, ... immer größer! Warum hast du so lange gewartet, mir das zu sagen? - In ihrem verzweifeltem Wei-nen stellt die Klientin selbst fest, daß sie nicht mehr weinen sollte, nicht mehr wegen ihm. Sie ist resigniert. - Dieses Ge-fühl hat mich aufgezehrt. Du wolltest, daß ich es kaputt mache! Du hast nicht akzeptiert, daß Liebe nicht nur Nehmen ist, ... sie einfach da ist, ... sie schön ist, daß es gut so ist, (sie schnieft) ... daß es total ok war. Aber ... dein Werben, daß es eben auch körperliche Sehnsucht entfacht. Es ist doch normal, daß man sich dann danach sehnt, zusammen zu gehören. (sie reagiert endlich empört) Und es ist ein Blödsinn, was du mir da erzählst, ...von wegen, nur was man nicht kriegt, will man haben! Du machst alles so klein! So niedrig! Nur weil du nicht empfinden kannst! Es ist gerade so, als spielst du mit mir, treibst ... nicht nur mich, die anderen Frauen auch ..., treibst alle dahin, daß sie sich in dich verlieben, und wenn sie nicht leiden, treibst du es soweit, bis daß sie leiden. Und ich war wohl für dich so richtig gut zum Experimentieren! Du hast alle Phasen ausgekostet! Irgend-wie ..., normal kannst du nicht sein! Was für ein Spiel spielst du mit mir? Jede Phase hast du durch probiert, aber nicht mal zu einem einzigen Kuß ist es gekommen! Gerade so, als hälst du mir ‘nen Wurstzipfel vor die Nase, und läßt mich schnuppern, und dann ziehst du ihn mir wieder weg und hungerst mich aus! Und jetzt kriegst du Angst! ... Das ist komisch, meine Nase, die juckt.
Th: Hmhm, frag sie doch mal, was sie sagen will.
Kl: Nase, was ist das für ein komisches Gefühl, was du mir da zeigst? (Die Klientin lacht) Ich hab den richtigen Riecher.
Th: Ja, wie reagiert er jetzt darauf, auf die Vorhaltungen oder Feststellungen?
Kl: Ja, das ist ..., das ist komisch, es ist tatsächlich so gewesen, aber ich hab das nie so wahr genommen. Du hast ..., du hast richtig, wie ... ja, als wolltest du mich ..., mich als die Frau deines Lebens, hast du mich umworben. Mit Aufmerksamkei-ten, mit Blicken, mit stundenlangen Ge-sprächen, mit Zärtlichkeiten. Ha, es ist eigenartig, was ich als Zärtlichkeiten bei dir empfunden hab. Nur eine Berührung, einen Arm um die Schulter legen, die Hand ..., den Nasenstüpser, das ist eigentlich nicht das, was man normalerweise unter Zärtlichkeiten versteht. Und dann ..., meine Reaktion hat dir nicht ge-paßt. Anfangs hat sie dir gefallen. Toll, wieder ‘ne Frau, die total auf dich abfährt! Aber doch ganz anders ... (sie seufzt) Und dann kriegst du Angst, daß du womöglich bei einer tatsächlich die Liebe aufgerührt hast! Der es egal ist, ob sie Erfüllung bekommt oder nicht. Die dieses Gefühl nicht kaputt macht ..., die es zuläßt! Das kannst du nicht ertragen! Und da fängst du an, mich zu sabotieren, mir einreden zu wollen, daß ich wie ‘ne Schlange hypnotisiert von dir bin, und dich nun besitzen will. Das ist es gar nicht! Lies mal das Gedicht, was ich dir geschrieben hab, das ist zutreffend!
Th.: Vielleicht hat er Angst bekommen? Vor allem, vor seinen Gefühlen, die hochkommen, frag ihn mal.
Kl: (holt wieder tief Luft) Hast du Angst vor deinen Gefühlen? Er darf diese Gefühle nicht hochkommen lassen, weil, sonst muß er seine Vergangenheit bearbeiten.
Th: Was repräsentiert er in dir? Weil, wenn er solche Aussagen macht, oder dafür steht im Moment, wie ist das mit dir? Darfst du deine Gefühle nicht hochkommen lassen? Hast du Angst davor?
Kl: Die Kontrolle!
Th: Die ist verschmolzen jetzt. - Die Klientin bejaht. - Mal gucken, was er sagt.
Kl: Ja, wenn Gefühle zugelassen werden, hochkommen dürfen, die sind auch mit Schwäche gekoppelt. Wer fühlt, öffnet sich, und wer sich öffnet, ist verletzbar und wer verletzbar ist ... Was sagt mir die Vergangenheit? Ja, das ist es. Und dennoch öffne ich mich fast immer ... Bloß, intimen Begegnungen gegenüber nicht mehr, ... also wenn Freundschaften zu intim werden , oder eben ... Partnerschaft, weil diese Art der Verletzbarkeit ist wie ..., wie eine Aufforderung: hier kommt her, verletzt mich ruhig, ich kann alles ertragen! Ich kann alles ab!
Th: Was ist passiert? (Die Klientin holt wieder tief Luft) Erzähl`s in deiner Erin-nerung. Da muß was passiert sein zu dem, ... das du gebraucht hast. Und das willst du nie mehr spüren! - Die Klientin erzählt, daß sie von sich im normalen Leben sehr viel zeigt, dabei oft verletzt wird, aber trotz momentaner Enttäu-schung dann, aufgrund ihres persönlichen Werdegangs, viele Reaktionen versteht. Sie nimmt es dann nicht mehr persönlich, wenn sie verletzt wurde und vergißt es schnell wieder.
Kl: Aber eben auf der intimen Seite, da mach ich dicht. Und auf der ..., ja alles, was mit Partnerschaft zu tun hat, also nicht Partnerschaft in Freundschaft, sondern eben tatsächlich Partnerschaft, da hab ich wohl eine Klappe runter gemacht, und dieses ..., was wir da ... Das ist ja auch schon 2 Jahre her, wo ich mal so ganz kurz so ein Verliebtheitsgefühl noch wieder gehabt hab, das war ..., da war keine Chance auf ein Zusammenkom-men. - Der Therapeut wirft ein, daß sie sich es vielleicht deshalb leisten konnte, was die Klientin betätigt, wenn es ihr auch nicht so bewußt gewesen sei.
Th: Tja, bleibt immer noch die Frage, ob du das bis zu deinem Lebensende wieder noch ausklammern willst, oder aber wieder zurück erobern willst. - Die Klientin war bisher immer der Meinung, sie hätte mit diesem Thema längst abgeschlossen. Der Therapeut lacht: Ja, hast du ja auch, abgeschlossen schon. Es läßt sich wahrscheinlich auch ohne leben. Er erkärt ihr, wenn sie sensibel und flexibel genug sei, würde sie nicht unbedingt krank, ja, es ginge. Und verletzbar sei sie auch, noch nicht erstarrt. - ... Außer so ein kleiner Kerl, der da ganz tief in dir da ist.
Kl: Naja, ich mein, ich hab in den letzten Wochen viel nachgedacht, damit, ... mit diesen Stellen, die so gejuckt haben und es ist mir schon klar, daß das mit meinem Bruder zusammenhängt. Weil, das ist, die erste Stelle hab ich Anfang September gekriegt, und er ist im Juli gestorben. Und dann durch diese Aufarbeitung oder bzw., also diese massiven Schuldgefühle, die ich da hatte ihm gegenüber, weil ich nicht hingegangen bin, da ist ja was ausgebrochen. Trotzdem weiß ich jetzt wieder vom Verstand her, wenn ich in Ordnung gewesen wäre in den anderen Bereichen, dann wäre das nicht so zum Ausbruch gekommen. Dann wär das eine Erfahrung gewesen, eine Erkenntnis, die ..., die ich vielleicht irgendwie bearbeitet hätte, aber es wär nicht, ... also das Faß muß schon relativ voll gewesen sein. Na ja, zeigt es ja eigentlich auch.
Th: Ja und das zeigt, daß du gerade wieder dabei bist, das alles aufzuarbeiten. Weil, nicht umsonst reagiert die Haut ja, in dem Moment ist ja Kontakt. Das ist ja aktuelles Thema, nicht abgepanzert, nicht weggedrückt.
Kl: Ja, ich weiß bloß nicht, in welche Richtung. Weil Partnerschaft hängt wieder mit der Vaterfigur zusammen. Vaterfigur hängt wieder mit Sexualität zusammen. Ich bin da irgendwie schlichtweg unbeholfen, wo ich anfangen soll, wo ich ... - Der Therapeut erklärt, es sei ganz egal und daß sie schon recht hätte. Alle unbearbeiteten Themen müßten aufgelöst sein, um dann frei zu sein. - Wie auch immer, im Grunde hängen sie alle miteinander, hm, miteinander verwoben. Es ist ein Thema.
Th: Ja, deshalb sag ich ja, es ist egal, wo du anfängst. Deshalb ist es auch fast gefährlich! Wenn du anfängst, geht`s in die Richtung. Also, wie stabilisierst du dich? Ja, man kann nicht ein bißchen Therapie machen. Das geht halt nicht. -Die Klientin stellt fest, daß der Grund, mal in diese und mal in jene Kammer zu gucken, doch ein bißchen Angst ist, was da wieder alles rauskommt, wo sie doch eigentlich der Meinung war, alles längst bearbeitet zu haben, alles weggesteckt. - Ja, hast du auch, ja, ... weggesteckt. Ja, bearbeitet und weggesteckt! - Er erklärt ihr, daß das alles ja auch notwendig war, sonst hätte sie es nicht alles gemanagt und überlebt bis heute. Nüchtern betrachtet hieße es, daß sie jetzt hier freiwillig liegt, zeigte, daß sie Lust auf Bearbeitung hätte. Andernfalls wüßte sie ganz genau, in diese Richtung dürfe sie nicht, da sei alles sensibel und instabil und nicht mehr so geordnet wie bisher. Die Klientin philosophiert ein bißchen, sie hätte einen erfolgreichen Posten, sie verdiene nicht schlecht, sie kann im Großen und Ganzen auf der Arbeit tun oder lassen, was sie will, evt. sogar die nächsten Jahrzehnte... Sie wüßte auch nicht, warum sie eigentlich nicht zufrieden ist, und was sie eigentlich überhaupt will, um dann doch festzustellen, wenn alles so bliebe, könne sie genausogut tot sein. Der Therapeut stellt dennoch fest, daß sie schon rundum im Gleichgewicht sei.
Kl: Ja, es plätschert alles so daher.
Th: (lacht) Wenn du so anspruchsvoll bist und willst wieder einen Sturzbach von Gefühlen erleben!

Kl: - verneint dieses, und sagt - ... sondern, ja, es ist schon richtig, die Lebendigkeit fehlt! Und das ist mir nicht erst bewußt, seitdem ich hierher komme, oder mich jetzt damit befasse.

Th: Ist mir schon klar, sonst würde der Sensenmann von dir nicht als Faschings-figur interpretiert werden. Du bist da so an einer Grenze. Ist es ernst, dann ist es dramatisch, aber es könnte ja auch eine Faschingsfigur sein ...

- Die Klientin erzählt, was sie seit geraumer Zeit alles anstellt, um wieder zu einer Lebendigkeit zu kommen, da sie selbst schon erkannt hatte, daß sie sich viel zu sehr abgekapselt hatte, und schon für ein bißchen „eigentümlich” von anderen Leuten eingestuft wurde.

Nachdem noch ein bißchen hin- und her geredet wurde, entschied sie sich doch, mit ihren Anteilen eine Vereinbarung zu treffen, sich in der nächsten Session wieder zu treffen. Diese Anteile tauchen in ihren Bildern als eigenständige Personen auf, die sich durch Wachsen, Schrumpfen, Hüpfen, Farbe oder Grausein bemerkbar machen. Sie erscheinen während dieser und der folgenden drei Sessions in immer der gleichen Weise, um sich bemerkbar zu machen.